Milchflasche mit schwarzer Milch milchlos.de Titelseite des Buches zur Milch

Zum Menu

Sommerzeit, Märchenzeit, neu erzählt zur Winterzeit.

Das Sommermärchen

Schon 2000 Jahre früher als angenommen, hätten Menschen sich für einen Schluck Milch zum Frühstück begeistern können, schon im 7. Jahrtausend, also in der Zeit zwischen 8000 und 7000 v.Chr.

Tatsächlich ist Milch als Nahrungsmittel im östlichen Mittelmeerraum und der Türkei erst seit dem 5. Jahrtausend, also zwischen 6000 und 5000 v. Chr. bekannt und wissenschaftlich belegt.

Die Presseverlautbarungen sollten offenbar der Eindruck entstehen lassen, dass Milch ein uraltes Nahrungsmittel sei, obwohl Milch auch mit diesen Erkenntnissen noch immer das jüngste Nahrungsmittel auf dem menschlichen Speiseplan bleibt.

Die Story füllte eines der Sommerlöcher.

Bei näherem Hinsehen stellte sie sich als eine Ansammlung von Vermutungen heraus, die auf der Untersuchung von Chemikern basierte, die im wahrsten Sinne des Wortes "Scherbenlesen" betrieben hatten.

Die britischen Studienmacher der Universität von Bristol analysierten Scherben von Gefäßen aus dem Nahen Osten und Südosteuropa auf ihren Gehalt an Fett- und Fettsäureresten. Da sich Pflanzen, Fleisch und Milch in ihren Fettsäuremustern unterscheiden, kann anhand der Bestimmung von Muster und Menge eine Aussage über die vermutlich mit dem Scherben in Berührung gekommene Substanz getroffen werden, sofern sie Spuren hinterlassen hat.

Bei den untersuchten Tonscherben, insbesondere denen aus nordwest Anatolien fand man nun für die angegebene frühe Zeit Spuren von Milchfett. Was die Wissenschaftler besonders erstaunte, war die Tatsache, dass praktisch sämtliche Tonscherben aus nordwest Anatolien auf Milchgebrauch hindeuteten.

Daraus zogen sie nun den simplen Schluß, dass Milch schon damals in dieser Gegend weithin als Lebensmittel genutzt worden sein müsse und zwar sogar im verarbeiteten Zustand, also als Sauermilch oder Käse, da sich Fette aus Frischmilch nicht im Keramikscherben in der Erde konservieren lassen.

Ist es tatsächlich so einfach oder kennen die britischen Forscher kontinentaleuropäische steinzeitliche Technik nicht?

Die Wintergeschichte

Die Menschen in nordwest Anatolien waren in der frühen Jungsteinzeit offenbar sehr findige Wesen und technisch hoch begabt. Neueste Forschungen zeigen die frühe Domestizierung von Rindern, die sich in den Orient ausbreiteten und schließlich ihren Weg nach Europa fanden. Sämtliche europäischen Rinderrassen stammen nämlich von den domestizierten Rindern des östlichen Orients ab und sind keine eigenen Züchtungen. Diese Rinder kamen erst zwischen 5000 und 4000 v. Chr. im westlichen Europa an, wo sie schnell Verbreitung fanden. Westeuropäische Kuhmilchnutzung begann daher erst später als im Orient, nach 4000 v. Chr.

Die Anatolier hatten auch eine der frühesten Ackerbaukulturen entwickelt und Ton zur Ziegelherstellung als Baumaterial war schon um 8000 v. Chr. bekannt. Und wo Ziegel hergestellt wurden, fand man auch andere Scherben, nämlich Gefäßscherben zur Aufbewahrung von Lebensmitteln. Und diese Gefäße bestanden bis etwa 5000 v. Chr. aus ungebranntem Ton, der deshalb porös ist. Es ließen sich in ihnen keine Flüssigkeiten aufbewahren. Erst ab dem 4. Jahrtausen v.Chr. wurde die Brandtechnik erfunden, die Keramik dichtet. So mussten sich die früheren Kulturen etwas einfallen lassen um ihre Keramik dicht zu bekommen oder sie lebten weiter mit poröser Keramik. Den frühen Anatoliern ist offenbar eine technische Problemlösung eingefallen und die bestand vermutlich in Milch!

Aus archäologischen Forschungen ist nämlich bekannt, dass verschiedene Kulturen den Trick mit der Milch kannten, mit der sie poröse Tongefäße dicht machten. Man musste nichts weiter tun als ungebrannte Tongefäße mit Milch befüllen. Nach ein paar Tagen Standzeit, die Milch war zu käsiger Sauermilch geworden, war die Keramik dicht. Da Kaseine Klebereigenschaften besitzen und Fette ebenfalls einen wasserdichten Film ergeben, schließt das Kasein-Fett-Gemisch der Milch die Poren von Keramik. Die Pfahlbauer am Bodensee z.B. kannten diese Technik. Die lebten jedoch 4000 Jahre später als die frühen Anatolier.

Wenn also fast alle Tonscherben aus nordwest Anatolien auf Milchgebrauch hindeuten, in anderen Kulturen Tonscherben jedoch nur sporadisch an Milchgebrauch denken lassen, dann liegt die Vermutung nahe, dass dies andere Gründe hat als der pure Milchgenuß.

Die Anatolier wußten sich offenbar zu helfen und waren vielleicht sogar die Erfinder des Geheimisses der wasserdichten Keramik. Ihr vermutlicher Milchgebrauch ist wohl eher Ausdruck einer technischen Überlegenheit, die es ihnen erlaubte mit Hilfe von Milch schon etwa 2000 Jahre vor der Erfindung der Brandkeramik über dichte Aufbewahrungsgefäße zu verfügen.

Ob die käsige Sauermilch nach der Nutzung als Dichtmasse noch genießbar war, darüber möchten wir uns nicht streiten...? Vermutlich kratzte man die getrockneten Milchreste, die jetzt käsig mit tönernem Geruch und Geschmack waren aus den Gefäßen und ekelte sich.

Quellen:

Letzte Änderung am 04.12.2011

©2003 - 2013