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"Ungewöhnliche" Studien

Ab und zu werden Studien veröffentlicht, die Milchkonsum mit gesundheitlichen Verbesserungen für die KonsumentInnen in Verbindung zu bringen scheinen.
Meistens stellt sich allerdings bei Nachforschungen heraus, dass die Macher der Studien auf den Schecklisten der Nahrungsmittelkonzerne stehen. Oder die Studien sind derart fehlerhaft, dass bei genauerer Betrachtung auch ein Laie die Widersprüche erkennt.

Beispiel 1 (Adipositas / Diabetes Typ II)

Ein besonders augenfälliges Beispiel war eine Studie, die im April 2002 im JAMA, dem Journal Of The American Medical Association von Pereira u.a. veröffentlicht wurde (JAMA 2002; 287:2081-2089; MEDLINE PMID: 11966382)
Das Resümee der Studie: Milch und Milchprodukte können Insulinresistenz bei jungen Erwachsenen, also Adipositas (Fettleibigkeit) und Diabetes Typ II verhindern und haben einen günstigen Einfluss auf kardiovaskuläre Erkrankungen.
Auf ihrer Internetseite veröffentlichte JAMA gleichzeitig - unwidersprochen - einen kritischen Leserbrief, aus dem hervorging, dass die ganze Studie auf falschen Grundlagen basierte. Er ist leider inzwischen nicht mehr über die JAMA-Hompage zugänglich.
Man hätte also gewarnt sein können, dass diese Studie das Papier nicht wert ist auf dem sie gedruckt wurde. Denn es ist durchaus nicht üblich, dass JAMA gleich das Dementi mitliefert.
In Deutschland wurde die Studie positiv besprochen und eine Universität nahm sie sogar zum Anlass, die gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Milch und Milchprodukten zu preisen. (Internet Uni Jena Insulinresistenz)

Was hat es mit der Studie auf sich?

Die Studie basierte auf 2 Ernährungsinterviews, die innerhalb von 10 Jahren durchgeführt wurden. Dabei wurden nur reine Milcherzeugnisse, wie Trinkmilch, Butter, Sahne und Käse berücksichtigt. Mischprodukte wie Cheeseburger, Pizza, Milchschokolade, Käsesoßen/-dips, Kuchen etc. wurden in die Untersuchung nicht mit einbezogen.
Dazu muss man wissen, dass 70 % des in Amerika konsumierten Käses als "Fastfood-Zutat" in "Außer-Haus-Produkten" enthalten ist. In der EU sind dies nur 30 %. Diese und andere "Milchmengen" blieben in der Studie völlig unberücksichtigt. Hatte ein Proband z.B. einen Cheeseburger und 2 doppelte Käsepizzas gegessen, ohne jedoch ein Glas Milch zu trinken, dann galt dieser Tag als ein Tag "ohne" Milchverzehr!
Im Übrigen wurde behauptet, dass sich der Milchproduktekonsum in Amerika während der letzten 3 Jahrzehnte signifikant reduziert hätte. So sei man auf den Gedanken gekommen, dass der vermeintlich verminderte Milchkonsum mit der erheblichen Erhöhung der Adipositas- und Diabetes Typ II-Fälle in den letzten Dekaden in Zusammenhang stehen könnte.
Diese Behauptung war geradezu absurd, denn in jeder simplen Statistik war für jede/n sofort ersichtlich, dass gerade das Gegenteil der Fall war. Wenn überhaupt, hatte sich nur der Trinkmilch- und Butterkonsum etwas vermindert, während sich der Konsum sämtlicher anderer Milchprodukte, besonders Käse- und Eiskremprodukte extrem gesteigert hatte.
Diese offensichtlichen, gravierenden Fehler der Studie verminderten ihre Aussagekraft erheblich, was dazu führte, dass sie in den USA nicht ernst genommen wurde.

Aufgrund dieser Ungereimtheiten wurden weitere Hintergründe recherchiert. Und siehe da, es stellte sich heraus, dass die Studie von der Firma "General Mills", die im Nahrungsmittelsektor tätig ist, eine Joghurtmarke besitzt und Frühstückscerealien herstellt, teilfinanziert worden war.
Auch Mark Pereira - verantwortlich für die Studie - wurde angesprochen. Er gab unumwunden zu, dass die Studie nicht abgeschlossen und unvollständig sei und sämtliche Milch-Mischprodukte und Außer-Haus-Produkte bisher nicht in die Studie einbezogen worden waren.
Was sollen VerbraucherInnen also von so viel wissenschaftlichem Sachverstand halten?
Aber es kommt noch besser.

Beispiel II

Im Jan 2004 wurde eine Studie im American Journal Of Hypertension - 2004 Jan; 17(1):88-97, MEDLINE PMID: 14700520 - veröffentlicht, die errechnet haben will, wie viel Ausgaben dem amerikanischen Gesundheitswesen jährlich erspart würden, wenn nur die Amerikaner ausreichend Milch und Milchprodukte, 3-4 mal am Tag, zu sich nehmen würden, was sie jedoch nicht täten.
Fettleibigkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen, Bluthochdruck, Nierensteine, Diabetes Typ II und einige Tumorerkrankungen könnten mit zu niedrigem Konsum von Molkereiprodukten verbunden sein, so die zugrundeliegende Annahme der Studie.
Ausreichender Milchkonsum durch Erwachsene würde angeblich im ersten Jahr eine Ersparnis von 26 Milliarden Dollar bringen. Nach 5 Jahren könne man kumulativ mit 200 Milliarden Dollar an eingesparten Aufwendungen rechnen.

Wir hielten das zu nächst für eine Glosse, da in vielen Studien die aufgezählten Krankheiten gerade umgekehrt mit einem zu hohen Konsum von Milchprodukten in Verbindung gebracht worden sind.
Dass es sich nicht um einen Scherz handelte, mussten wir uns von amerikanischen Kennern der Szene sagen lassen: Der Macher der Studie, Dr. Robert Heaney, an der Universität von Creighton tätig, erhält 7 Millionen Dollar pro Jahr von der Milchindustrie und tritt als einer ihrer wissenschaftlichen Berater auf.
So wurde das Rätsel der merkwürdigen Studienergebnisse gelüftet.
Ironie der Geschichte: Letztlich hat Heaney der Milchindustrie einen Bärendienst erwiesen: Denn nun könnte bekannt sein, wollte man es denn wissen, wie viel dem Gesundheitswesen möglicherweise an Kosten erspart würden, wenn nur alle Erwachsenen von den Molkereiprodukten abließen.

Letzte Änderung am 04.12.2011

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