Vor exakt 4 Jahren hatten wir es schon einmal mit prähistorischen Milchscherben zu tun und zwar aus Anatolien.
In diesem Jahr hat dasselbe britische Uni–Institut sich die libysche Wüste vorgenommen. Und siehe da, auch dort fand man Scherben, die auf den Gebrauch von Milch hindeuten.
Nach der letzten Eiszeit, die um etwa 10.000 v. Chr. endete, änderte sich das Klima in der Sahara. Die Sahara wurde grün und aus den verschiedensten Richtungen kamen neue Bewohner, die sich das fruchtbare Land zunutze machten. Ab etwa 4000 v. Chr. beginnt die erneute „Verwüstung“. Die Forschung wann, wo, wie und wer in der Sahara lebte, steckt noch in den Anfängen. Vieles ist nicht erforscht. Die Hinterlassenschaft der ehemaligen Bewohner besteht vornehmlich aus Felszeichnungen, Keramikscherben und Knochen.
Einen Beitrag zu Aufklärung leisten die Chemiker aus Bristol, UK, mit ihren Arbeiten zur archäologischen Chemie. Sie haben Methoden entwickelt, wie man alten Tonscherben die Geheimnisse ihrer ehemaligen Nutzung entlocken kann.
Dies ist eine beachtliche Leistung, die zu folgenden Feststellungen führte:
Aus einer Zeitspanne von etwa 1400 Jahren extrahierte man 81 Scherben, von denen knapp 15 % mit Milchfett in Berührung gekommen sind.
Daraus wurde in der Studie, die in Nature, einem der renomiertesten wissenschaftlichen Fachblätter, veröffentlicht wurde, folgende Schlußfolgerung gezogen – eigene Übersetzung:
„Unsere Ergebnisse liefern den unzweifelhaften Beweis dafür, dass eine umfangreiche Verarbeitung von Milchprodukten in Tongefäßen in der Libyschen Sahara während der mittleren Hirtenperiode (ungefähr 5200 bis 3800 v. Chr.) stattgefunden hat, was bestätigt, dass Milch eine bedeutende Rolle in der Ernährung dieser prähistorischen Hirtenbevölkerung gespielt hat.“
Wir stellen fest, in Nature darf offensichtlich wild spekuliert werden.
Dass nomadisierende Hirtenvölker mit Ziegen, Schafen und ab ca. 5000 v. Chr. mit Rindern durch die Landschaft zogen, ist nichts Neues, und dass sie sich an der Milch ihrer Nutztiere probierten, ebenfalls nicht. Daraus eine „umfangreiche Verarbeitung von Milchprodukten“ herzuleiten und Milch als „bedeutende Rolle in der Ernährung“ anzusprechen, ist doch sehr gewagt.
Die beschriebenen dürftigen Fakten wurden von der Initiatorin der Untersuchung, sowie den Akteuren der weiteren medialen Aufarbeitung zu einem regelrechten Feuerwerk der Milchpropaganda umfunktioniert.
Blieb die Studie selbst noch einigermaßen seriös und hielt sich an den üblichen Sprachgebrauch zur Datierung „BC“ = Before Christ, also v. Chr., so ließen es sich die Verwerter nicht nehmen jeweils 2000 Jahre draufzuschlagen, was den Eindruck einer längeren Historie vermittelt. Ein häufig anzutreffender Trick um Alt–Bekanntes in neuem Licht älter erscheinen zu lassen. So wurde aus 5000 BC „7.000 years ago“ und „vor 7000 Jahren“, das hört sich uralt an und tatsächlich, ein Verwerter brachte es auf den Punkt: „Es scheint, dass Milchkonsum fast so alt ist wie der Mensch selbst.“ (Übersetzung)
Das hatte dann auch wieder eine eigene Komik, denn tatsächlich ist der Muttermilchkonsum so alt wie die Menschheit selbst. Aber davon war ja gerade nicht die Rede!
Im Blätterwald erschien jeweils das Cover von Nature, das Bild einer undatierten Felsmalerei – nicht vom Scherbenfelsen Takarkori, sondern einem andern Ort in der Wüste – mit anmutigen, langhörnigen gefleckten Rindern. Kein Bild eines dicken Euters war zu sehen, geschweige denn eine Melkszene, von denen es in der Wüste –laut der Studie– auch nur wenige geben soll. Jeder schrieb so ungefähr das Gleiche, egal in welcher Sprache. Sämtliche Artikel erschienen zeitgleich, national wie international.
Wer da wohl Regie führte?
Berichtsauswahl:
http://diepresse.com/home/science/767571/Kulturgeschichte_Siebentausend-Jahre-Milch?_vl_backlink=/home/science/index.do http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/1790977/ http://www.welt.de/wissenschaft/article106639562/Menschheit-nutzt-seit-7000-Jahren-die-Milch.html http://www.sciencenews.org/view/generic/id/341669/title/Ancient_North_Africans_got_milkWie wir schon vor 4 Jahren gezeigt haben, gab es neben dem Gebrauch von Milch als Nahrungsmittel technische Gründe um Milch zu nutzen. Die Klebereigenschaften der Kaseine spielten dabei die Hauptrolle. Das der Milch eigene Kasein–Fett–Gemisch wurde schon in prähistorischer Zeit zur Dichtung von Keramik eingesetzt (Bodensee, Anatolien) und Farben für Felsmalereien wurden auf der Basis von Kaseinen aus der Milch hergestellt. Die Römer vermischten ihren stahlharten Mörtel mit Sauermilch bez. Quark. Und noch heute werden Kaseine in Fliesenkleber und Waschpulver eingesetzt.
Letzte Änderung am 31.07.2012