Das Jahr 2015 wird in die Milchgeschichte der europäischen Union eingehen.
Es war bestimmt von den politischen Ereignissen rund um die Milch, aber auch von den weltwirtschaftlichen Gegebenheiten.
Und es gab interessante Veröffentlichungen – Studien zum Thema Milch. Von all dem soll im Folgenden die Rede sein.
Mit dem 31. März 2015 war die Milchquote passe', nach 31 Jahren Quotierung!
Jedem Milchbauern war bis dahin ein Kontingent zugewiesen, das nur überschritten werden konnte, wenn man Strafzahlungen in Kauf nahm, was tunlichst vermieden wurde. Ab 1. April 2015 konnte dann sanktionsfrei jeder so viel produzieren wie er wollte. Das Ergebnis ist in aller Munde: der Milchpreis fiel rapide, das Lamento war und ist noch immer groß und die Bauern mussten mal wieder auf die Straße gehen um von der EU unterstützt zu werden.
Schon in den Jahren vor dem Ende der Quotierung hatte ein Wettlauf um die größten Ställe begonnen. Jeder wollte in der Lage sein so viel wie möglich zu produzieren um nach der Quote zu „überleben“. Die Vorgaben schienen klar, nur die Großen werden es schaffen.
Also wurde in neue, größere Ställe investiert, mit dem Segen der Politik, der Bauernvertreter und der Bank- und Agrarindustrie. Milch ist Geld, dachten wohl alle einmal wieder! Alle wollten sie mit der Milch Geld machen. Doch schon 2 Monate nach dem Ende der Quote war klar, dass man kein Geld machen würde mit Milch, sondern Verluste.
Das darauf einsetzende Gejammer ist unerträglich, weil unehrlich. Denn wer hat nicht gewusst oder wissen können, dass die bis letztes Jahr hohen China-Exporte von Milchpulver und Käse nur eine Lücke schlossen, solange die chinesische Milchindustrie noch im Aufbau war und Neuseeland Lieferprobleme hatte. Neuseeland liefert wieder und die chinesische Eigenproduktion steigt von Jahr zu Jahr. Und langsam bekommt man das Qualitätsproblem in China auch in den Griff, so dass absehbar war und ist, dass die Nachfrage nach europäischen Produkten sinkt.
Und das EU-Embargo der Russen. Seit Sommer 2014 war bekannt, dass Russland Gegensanktionen auf dem Agrarsektor erlassen würde, also sämtliche Ausfuhren von Milch und Fleisch nach Russland perdu` wären.
Spätestens im Herbst 2014 musste jedem Milcherzeuger klar sein, dass die Abschaffung der Milchquote direkt ins Desaster führen würde. In Zahlen sieht das dann so aus: Ca. 40 Cent pro kg Milch sind auf ca. 27 Cent geschrumpft. Einnahmeverluste von ca. einem Drittel, das ist gewaltig!
Je mehr die deutsche Milchwirtschaft für internationale Märkte produziert, um so anfälliger ist sie für die politischen Fährnisse des Weltgeschehens. Klug wäre es, sich davon abzukoppeln, so wie es die Bio-Milchbranche vormacht.
Denn, ganz anders sah es für die Milchproduzenten aus, die sich auf Bio spezialisiert hatten. Die blieben von China-Wirtschaftsflaute und Russen-Embargo gänzlich verschont. Denn sie produzieren fast ausschließlich für den heimischen Markt. Im Vergleich zur konventionellen Milcherzeugung stehen sie glänzend mit ca. 48 Cent pro kg Milch da.
Obwohl mittlerweile sonnenklar sein sollte, dass Massenproduktion und Weltmarktphantasien geradewegs ins wirtschaftliche Aus führen, wird weiter gewurschtelt nach dem alten Prinzip: Masse statt Klasse. Wer Ramschmilch produziert muss sich nicht wundern, wenn Tier, Mensch und der bäuerliche Betrieb in der Folge auch verramscht werden.
Diese Gefahr besteht nicht nur aus den genannten Gründen, sondern wird mit TTIP, dem Transatlantischen Freihandelsabkommen, entgegen der Auffassung von Milchindustrie und den sich um klare Positionen herum lavierenden Bauernverbandsvertreter zu einem Desaster für die deutsche Landwirtschaft werden.
Das lassen die Amerikaner auch klar erkennen, die die EU mit Billigmilch und Billigfleisch nach TTIP fluten wollen und sich Milliarden von zusätzlichen Dollars davon versprechen.
Nach dem Beben, das die Uppsala- und Malmö-Studien im Sommer 2014 verursacht hatten und nach mehreren milchkritischen Veröffentlichungen in Funk und Fernsehen und der Argumentation zwischen Rechkemmer und Melnik, ließ in 2015 das Bundesland Bayern eine wissenschaftlich getarnte Schutzschrift für die Milch anfertigen.
Die 2 schwedischen Studien haben trotz aller Verunglimpfungsversuche milchaffiner Medien große Relevanz. Denn sie erfassen lange Zeiträume und verfügen über einen immens großen Umfang an Gesundheitsdaten, die in einem staatlichen Gesundheitswesen wie in Schweden ausreichend anfallen, wie in keinem anderen westlichen Land. Die Rohdaten sind daher auch gut überprüfbar und nicht manipulierbar, so dass an den Ergebnissen nicht zu zweifeln ist.
Danach schützt Milchkonsum nicht vor Osteoporose und hoher Milchkonsum erhöht das Frakturrisiko von Frauen signifikant.
Ebenfalls signifikant ist bei laktoseintoleranten Personen ein niedrigeres Risiko für Lungen-Brust- und Eierstockkrebs gegeben.
Und die Frage, wie der hohe Gehalt der Milch an Galaktose, dem Spaltprodukt des Milchzuckers gesundheitlich zu bewerten ist, wurde deutlich angesprochen? Denn freie Galaktose im Blut ist zweifelsfrei gesundheitsschädlich.
Professor Dr. Bodo Melnik – Universität Osnabrück – hatte sich im Sommer 2014 gegen die von Professor Dr. Gerhard Rechkemmer, dem Präsidenten des Max-Rubner-Instituts (MRI), geäußerte Verharmlosung der negativen Folgen des unphysiologisch hohen Milchkonsums in Milchländern gewandt.
Jede seiner Darlegungen konnte Melnik mit wissenschaftlichen Studien belegen, im Gegensatz zu dem, was die offiziellen Milchbefürworter üblicherweise vorlegten.
Diese äußerst fundierten Argumente Melniks waren dann vermutlich einer der Gründe, warum sich das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten genötigt sah im Sinne der Milchlobbyisten im wissenschaftlichen Gewand aktiv zu werden.
Heraus kam dabei im Juni 2015 eine 43-seitige Publikation unter dem verräterischen Titel:
Freispruch für die Milch! Als sei Milch jemals angeklagt gewesen. Mitnichten!
Dass sich mittlerweile Vertreter der Milchlobby durch Kritik am hohen Milchpoduktekonsum und der wissenschaftlichen Forschung zu den negativen gesundheitlichen Auswirkungen „angeklagt“ fühlen, das steht auf einem anderen Blatt. Die bayerische Publikation sollte wohl denen Absolution erteilen, die wider besseres Wissen, das hohe Lied des gesunden Milchkonsums predigen und die Bedenken einer immer kritischeren Bevölkerung zerstreuen.
Das Anliegen ist gescheitert. Das Medienecho hielt sich in Grenzen, ja es wurden in der Folge sowohl in TV wie in Printmedien diverse Beiträge publiziert, die sich kritisch mit Milch und dem konventionellen Agrarsektor beschäftigten, so als hätte es diese bayerische Publikation nicht gegeben. Zu vermuten ist, dass der Gegensatz zwischen der Propagierung einer wissenschaftlichen Expertise und dem, was vorgelegt wurde, zu groß war. Das konnte jeder Leser schnell erkennen.
Hatte man sich eine halbwegs wissenschaftliche Diskussion von Für und Wider erhofft und endlich einmal Text mit Anmerkungen zu den beweisenden wissenschaftlichen Studien, so war die Enttäuschung groß.
Auf 43 –zum Teil bebilderten– Seiten wurden vom Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn), angesiedelt bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, in Zusammenarbeit mit dem Max-Rubner-Institut nichts als die althergebrachten Meinungsäußerungen der Milchinstitute und zusammengeschriebene Propaganda der Milchlobbyisten präsentiert ohne auch nur eine einzige Behauptung durch einen Verweis auf eine Studienquelle zu verifizieren, angeblich der Übersichtlichkeit wegen. Das ist starker Tobak, wenn man bedenkt, dass es sich ja gerade um eine beweisende Expertise beim „Freispruch für die Milch!“ handeln sollte! Es kann nämlich angenommen werden, dass am Thema Interessierte durchaus mit Fußnoten umzugehen wissen.
Das war wohl auch den Autoren klar, denn sie weisen darauf hin :„Für nähere Informationen wird auf den gleichnamigen Gesamtbericht verwiesen…“
Die Suche nach dem „gleichnamigen Gesamtbericht“ verlief jedoch bisher ergebnislos.
Man fragt sich, ob es diesen Bericht überhaupt gibt?
Was tatsächlich an Literatur existiert ist eine weitere Veröffentlichung des KErn „Legenden und Fakten rund um die Milch“, die aus lediglich 398 Literaturangaben ohne jeglichen Text besteht, überwiegend Studien rund um die Milch und Gesundheit.
Zumindest ein Teil dieser Studien steht in Widerspruch zu dem was im „Freispruch für die Milch!“ behauptet wird und die Studien, die kontrovers diskutiert werden müssten, z.B. die o.g. Schwedenstudien, einige milchkritische Studien der Harvard-Universität oder die Veröffentlichungen von Melnik sind erst gar nicht enthalten.
Daran wird deutlich, dass der im Auftrag eines bayerischen Ministeriums erstellte „Freispruch für die Milch!“ wissenschaftlich nicht wirklich ernst genommen werden kann, sondern eine Alibifunktion hat. Er soll die Mainstreamwissenschaft, die sich offenbar durch die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse in Sachen Milch brüskiert fühlt, ihrer, in naher Zukunft als überholt geltenden Thesen, noch einmal versichern.
Aber, die Zeichen stehen schlecht für das alte Milchestablishment. Sowohl in der Bevölkerung wie in der Wissenschaft ziehen fundierte milchkritische Einstellungen immer weitere Kreise, die Propaganda von der gesunden Milch erkennen viele als Legende.
Bezeichnend deshalb auch, dass keine der beiden Publikationen einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin namentlich als Autor oder Autorin benennt. Für diese Propaganda will wohl niemand mit seinem/ihrem Namen gerade stehen!
Die Redaktion des „Freispruch für die Milch!“ und der „Legenden und Fakten rund um die Milch“ ist schlicht und einfach der „Bereich Wissenschaft“ des KErn, mit Adresse, ohne Namen.
Ein Versuch, der Öffentlichkeit unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Institutionen Sand in die Augen zu streuen.
Japanische Wissenschaftler konnten von einem Umweltskandal profitieren, der in den 1980er Jahren in Hawaii spielt. In der Zeit wurden Ananas-Abfälle regelmässig an Milchkühe verfüttert. Die Ananas wurden über Jahre mit dem Pestizid Heptachlor behandelt. Erst in 1988 endete diese Praxis.
Mehr als 8000 Männer waren in der Honolulu-Asia Aging Study, die die Probanden von der Lebensmitte bis zum Tod begleitete, involviert. Alle Teilnehmer hatten detaillierte Informationen über ihren Lebensstil gegeben, auch über ihre Ernährungsgewohnheiten, respektive ihren Milchkonsum. Viele spendeten ihre Gehirne für Zwecke der Wissenschaft nach ihrem Tod.
Japanische Wissenschaftler konnten bisher 449 dieser Gehirne untersuchen. Und sie machten eine erstaunliche Entdeckung. Diejenigen, die regelmäßig die meiste Milch tranken, hatten die höchsten Heptachlorkonzentrationen im Gehirn, 90% gegenüber denjenigen, die keine Milch tranken; diese waren nur zu 63% belastet. Und diejenigen, die Milch tranken ohne zu rauchen, hatten 40 % weniger Gehirnzellen in den spezifischen Parkinsonregionen, als Männer, die Milch tranken und rauchten. Dass Rauchen einen gewissen Schutz vor Parkinson hat, ist schon lange vermutet worden.
Außerdem stellten die Forscher fest, dass die Akkumulation des Pestizids sich in den noch gesunden Hirnzellen abspielte, was sie als weiteren Beweis ansehen, dass die Chemikalie der Auslöser der Parkinsonsymptome war.
Die Studie ist aus unserer Sicht auch deshalb sehr interessant, weil sich damit beweisen lässt, dass die Blut-Hirnschranke von Inhaltsstoffen in der Milch durchbrochen werden kann. Es ist eben nicht gleichgültig, welche Substanzen in der Milch enthalten sind! Die Magen- und Darmschranke lässt soviel durch, dass mancher Inhaltsstoff der Milch zur Gesundheitsgefahr wird.
Erst ca. 2000 Jahre vor Chr. oder anders gesagt, vor ca. 4000 Jahren schlichen sich die Gene in die europäische Bevölkerung ein, die sie zur Verdauung von Milch befähigten. Bisher dachte man, dass dieser Prozess 2000 Jahre früher begonnen habe.
Die weltweit umfangreichste Studie, bei der DNA von 230 vorzeitlichen Individuen untersucht wurde, kam zu diesem Schluss.
Leider ist die deutschsprachige Resonanz auf diese Veröffentlichung in Nature gering.
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Letzte Änderung am 21.12.2015