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Neues Antibiotikum im Kuhstall?

Antibiotika im Kuhstall sind an sich nichts Neues. Denn um der häufig anzutreffenden Mastitis (Euterentzündung) zu begegnen, werden Antibiotika als Tierarzneimittel eingesetzt.

Antibiotika haben aber meist auch leistungssteigernde Wirkung, d.h. das Schlachtgewicht der Tiere steigt signifikant an oder im Fall der Kuh, wird die Milchleistung gesteigert.

Dieser Doppeleffekt wird in der Tierhaltung gerne genutzt.

Bis Ende 2005 war es in der EU auch relativ legal Antibiotika ins Tierfutter zu mischen. Im Zuge der Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beim Menschen sah man Anfang des Jahrzehnts die Gefahr, dass das Resistenzproblem mit der Fütterung unserer Schlacht– und Milchtiere in Zusammenhang stehen könnte. Und so kam es, dass ab 2006 Antibiotika im Tierfutter nicht mehr erlaubt waren. Ausnahmen konnten aber beantragt und zugelassen werden. Und so geschah es, dass ein lange bekanntes, weltweit in der Rinderhaltung eingesetztes Antibiotikum — Monensin–Natrium — in der EU nicht mehr als Futtermittelzusatzstoff eingesetzt werden konnte. Allerdings wurden für die Geflügelzucht — Junghennen, Masthühner und Truthühner — Ausnahmen erteilt. Sie dürfen bis heute mit diesem Antibiotika prophylaktisch!!! gefüttert werden. Aber aus dem Kuhstall hatte man Monensin verbannt.

Monensin wird hauptsächlich über den Kot der Tiere ausgeschieden und stellt daher eine große Bedrohung für Agrarflächen dar, die mit Gülle behandelt werden. Es können Bodenbakterien verdrängt werden, womit sich die Bodenbeschaffenheit verändert. Antibiotika werden von den angebauten Nutzpflanzen aufgenommen und auf diese Art und Weise gelangen sie in die menschliche Nahrungskette und tragen zur Reistenzbildung bei.

Das Problem Monensin in Gülle wird sich vermutlich in Zukunft erneut stellen, denn der Wirkstoff hat zu viele „Vorteile“ um Agrar– und Pharmaindustrie von erneuten Versuchen abzuhalten, ihn wieder in den Kuhstall einzuführen. Das ist mittlerweile in einem ersten Schritt geschehen, denn Monensin, ist als antibiotisch wirksames verschreibungspflichtiges Tierarzneimittel unter dem Namen "Kexxtone" wieder aufgetaucht. Seit Januar 2013 ist es zugelassen. Das wäre nur wenig problematisch, wenn tatsächlich zukünftig nur kranke Tiere damit behandelt werden würden. Davon kann aber nicht die Rede sein.

Denn Kexxtone ist nicht dazu da um eine schon eingetretene Tiererkrankung wie die Ketose zu heilen (Ketose = Stoffwechselerkrankung bei der der Körper nicht mehr ausreichend Ketone [= Abbauprodukte von Fettsäuren] entgiftet). Nein, Kexxtone ist dazu da vorab, also prophylaktisch bei solchen Kühen und Färsen eingesetzt zu werden, bei denen man ein Risiko für die Entwicklung einer Ketose vermutet.

Da die Ketose aber eine recht häufig anzutreffende Erkrankung speziell von Hochleistungskühen ist, die mit teuren und aufwändigen Folgeerkrankungen wie Gebärmutter–Euter– und Klauenentzündungen, Eierstockzysten und Labmagenverschiebungen einhergeht, können von den Veterinären ganze Herden oder Betriebe zum Risikofall erklärt werden mit entsprechender Anwendung von Monensin.

Der Hersteller, die Firma Elanco, eine Tochter des Pharmamultis Eli Lilly, streitet das natürlich ab und bietet zusätzlich zum Medikament „…ein umfassendes Milchdiagnosekonzept an, mit dessen Hilfe Landwirte und Veterinäre einfach, verlässlich und kostengünstig das Ketose-Risiko für jedes einzelne Tier bestimmen können…“

Tatsächlich besteht aber die Gefahr, dass auch individualisiert ganze Herden als risikobehaftet diagnostizeirt werden. Der Hersteller verdient sogar zweimal, am Arzneimittel und am individualisierten Diagnosekonzept. Der Tierarzt unterschreibt und verdient ebenfalls daran.

Aber auch der Agrarier kann in Versuchung kommen, die Kosten und Mühen der Anwendung von Kexxtone auf sich zu nehmen. Mühen deshalb, weil das Präparat, ein Bolus, durchs Maul in den Pansen geschossen wird und die Kuh zunächst 4 Tage lang beobachtet werden soll, ob der Bolus auch dort angekommen ist. Im Pansen soll er dann für 95 Tage! verbleiben und in der Zeit, in der normalerweise eine Ketose entsteht, nämlich nach der Abkalbung, kontinuierlich das Antibiotikum abgeben. In den ersten 8 Wochen nach dem Abkalben hat die Kuh natürlicherweise ihre höchste Milchleistung überhaupt. Wenn eine Kuh daher diese Zeit ohne Erkrankung und mit zusätzlicher antibiotischer Leistungskraft versehen, gesund übersteht, dann haben sich die Mühen und Kosten wohl auch für die Milcherzeuger gelohnt.

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Letzte Änderung am 04.12.2011

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