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Laktase

Ein kleines Enzym mit großer Wirkung

Milch besteht aus Wasser, Fett, Eiweißen, Milchzucker, Mineralstoffen und Hormonen. Um den Milchzucker, also den Kohlenhydratanteil der Milch verdauen zu können, benötigen Menschen und Säugetiere ein Enzym, die Laktase, chemisch als ß-Galactosidase1 bezeichnet. Laktase wird im Dünndarm (hauptsächlich im oberen Abschnitt)gebildet und zwar in den Mukosazellen des Bürstensaumes. Milchzucker, ein Zweifachzucker/Disaccharid, wird enzymatisch durch Laktase jeweils zu gleichen Teilen in die Einfachzucker/Monosaccharide Glukose und Galaktose aufgespalten. Erst dann können die entstandenen Monosaccharide durch die Dünndarmwände in das Blut transportiert werden, wo die Glukose (Traubenzucker) dem Körper als Energiequelle dient. Die Galaktose (Schleimzucker) wird entweder in der Leber weiter zu Glukose verstoffwechselt oder über die Niere ausgeschieden.

Bilden die Mukosazellen des Dünndarmes, aus welchen Gründen auch immer, keine Laktase, dann wird der Milchzucker, enzymatisch nicht verdaut. Er gelangt ungespalten nach der Dünndarmpassage in den Dickdarm, wo er bakteriell verstoffwechselt wird. Das bedeutet, dass es zu Gärprozessen im Dickdarm kommt. Die Gärung verursacht primär: Blähungen, die mit Übelkeit, abdominalen Schmerzen, Durchfällen oder Obstipation verbunden sind. Es werden unnatürlich hohe Mengen Gase - Kohlendioxid, Methan, Wasserstoff - abgesondert. Buttersäuren, Milchsäuren, Essigsäuren, kurzkettige Fettsäuren, Ammoniak und Stoffwechseltoxine vermehren sich stark. Es kommt zur Steigerung des osmotischen Drucks, was zu Wasseransammlung führt, die Durchfälle verursachen. Häufig treten auch Umkehrreaktionen, die Obstipation zur Folge haben, auf. Die Reaktionen sind vielfältig und nicht einheitlich. Wer solche Reaktionen nach Laktosekonsum zeigt, ist milchzucker- oder laktoseintolerant.

Eine der kürzesten und treffendsten Veröffentlichung in deutscher Sprache zur Milchzuckerunverträglichkeit, auch Laktoseintoleranz genannt, stammt von Ledochowski, Bair und Fuchs, im österreichischen Journal für Ernährungsmedizin Nr. 1 aus 2003, S. 7 - 14.

Aufgrund der geschilderten direkten Auswirkungen sind bei weiter anhaltendem Milchkonsum über Jahre und Jahrzehnte und dem täglichen Verzehr von Lebensmitteln, die Laktose enthalten, auf Dauer gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verzeichnen, wie zusätzliche Nahrungsmittelunverträglichkeiten und -allergien, Stoffwechselstörungen, wie chronischer Kalziummangel, der z.B. Osteoporose verursacht, Schädigungen der Darmschleimhäute, Nierensteine, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vieles andere mehr2. Die langfristigen Auswirkungen sind wissenschaftlich bisher kaum erforscht. Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass wir heutzutage massenhaft milchzuckerhaltige Produkte verzehren und Milchzucker in immer mehr Nahrungsmittel eingeschleust wird.

Laktasebildungsfähigkeit

Milchzucker kommt in der Natur nur in der Muttermilch von Säugetieren vor. Entsprechend wird Laktase nur im Säuglings- und Kleinkindalter gebildet, da Milch ursprünglich und natürlicherweise nur zu diesem Zweck als Nahrungsquelle dient. Weil kein anderes natürliches Nahrungsmittel als Milch Milchzucker enthält, bestand für ein Verdauungsenzym bei ausgewachsenen Tieren und erwachsenen Menschen keine physiologische Notwendigkeit. Demzufolge sind wir Menschen wie alle anderen Säugetiere ursprünglich keine Laktasebildner im Erwachsenenalter.

Bis vermutlich vor 12.000 Jahren haben erwachsene Menschen weltweit überhaupt keine Laktase in ihrem Dünndarm gebildet. Deshalb konnte homo sapiens bis dahin Milch und Milchprodukte nicht verdauen. Erst mit der Domestizierung von Haus- und Herdentieren, die ab ca. 5000 v.u. Z. in manchen Gegenden schon gemolken wurden, bildete sich die Fähigkeit aus, das Enzym Laktase noch im Erwachsenenalter zu bilden. Damit konnten diese Menschen Milchprodukte verzehren ohne krank zu werden. Hauptsächlich Menschen, die in Nordeuropa beheimatet waren bildeten diese Fähigkeit aus, also Menschen weißer Hautfarbe.

Die Fähigkeit das Verdauungsenzym zu bilden, beruht auf einer Genmutation, wie neueste Forschungen beweisen3. Sie ist eine menschheitsgeschichtlich sehr junge Erscheinung, die sich noch dazu nur beim Menschen ausgeprägt hat. Sie ist dominant vererbbar im Gegensatz zum Laktasemangel, der rezessiv vererbt wird. Wäre die Genmutation schon lange im menschlichen Genpool vorhanden, müsste die Laktasedominanz weitaus verbreiteter sein als sie tatsächlich ist.

Bei der Unfähigkeit Laktase zu bilden werden drei Formen unterschieden:4

Der kongenitale Laktasemangel bezeichnet die angeborene Unfähigkeit Laktase zu bilden und ist eine äußerst seltene Erscheinung, die in der Regel zum Tod führt, wenn sie nicht erkannt wird.

Der sekundäre Laktasemangel beruht auf einer Erkrankung des Dünndarms, z. B. Enteritis, Colitis, Morbus Crohn und Zöliakie/Sprue. Sie ist unter Umständen reversibel, sofern die Grunderkrankung geheilt werden kann.

Der im Laufe des Lebens auftretende irreversible Laktasemangel aufgrund genetischer Disposition ist die dritte und häufigste Erscheinungsform des Laktasemangels, häufig auch als primärer Laktasemangel bezeichnet. Die dabei zu verzeichnende Abnahme oder der völlige Verlust der Laktasebildungsfähigkeit ist ein völlig normaler physiologischer Vorgang und eigentlich keine Krankheit. Er ist grundsätzlich auch nicht auf Umwelteinflüsse, wie Ernährung, psychische Faktoren oder Stress etc., zurückzuführen, sondern auf genetische Prägung. Man kennt mittlerweile die Gene, die für die Beibehaltung der Laktaseproduktion verantwortlich sind, kann jedoch noch nicht vorausschauend angeben, wann bei jedem einzelnen Individuum die Laktasetätigkeit eingestellt wird bzw. sich vermindert.5

Laktasemangel weltweit

Schätzungsweise 80 % der Menschheit sind laktoseintolerant (LI) und werden als Alaktasier bezeichnet. Auch in den weißen Ethnien nordeuropäischer Herkunft ist der Laktasemangel noch in beträchtlichem Umfang vorhanden. Die Mehrheit dort gehört jedoch zu den Laktasebildnern. Man nennt sie auch Laktasier. Ihre weißen Verwandten in Übersee, weiße Nordamerikaner, Südafrikaner, Australier und Neuseeländer, sind ebenfalls überwiegend Laktasier. Innerhalb Europas zeigt sich ein Nord-Südgefälle und ein West-Ostgefälle. In der dänischen und schwedischen Bevölkerung sollen nur ca. 3 % laktoseintolerant sein, Holländer 10 %, Deutsche 15%, Finnen 18 %, Polen 25 %, Österreicher 20 %, Franzosen 30 %, Norditaliener 30 %, Süditaliener 60-70 %, Griechen 70 %. Die Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen und nur als grober Anhalt anzusehen, da sie sämtlich auf Schätzungen beruhen. Es konnte keine Quellenangabe mit wirklich repräsentativen Erhebungen ausfindig gemacht werden6. Als sicher kann nur gelten, dass die Laktoseintoleranz in Nordeuropa gering verbreitet ist und nach Süden hin zunimmt. Dasselbe gilt für Osteuropa, je weiter nach Osten, desto höher die Rate an Milchzuckerunverträglichkeit7. Für die anderen Kontinente gilt: Asiaten, australische und neuseeländische Ureinwohner, nord- und südamerikanische Ureinwohner, Grönlandeskimos, Afrikaner sind zwischen 90-100 % ihrer Bevölkerungen laktoseintolerant. Für Afrika werden nur einzelne ethnische Gruppen als Laktasebildner angegeben, z. B. Tutsi in Ruanda, und Völker im Nigerdelta, z.B. Fulani8. Für Indien gelten Raten im Punjab von 30 %, sonst 60-80 % Laktoseintoleranz. Bei Arabern um die 80 %, wobei Hamiten eine Ausnahme bilden und nur zu 10 % laktoseintolerant sein sollen, Türken und Iraner ca. 70 % Laktoseintoleranz.

Die Zahlen bedeuten für Deutschland: Ca. 10 Millionen Alaktasier aus der Deutschen Bevölkerung. 2-3 Millionen Alaktasier aus der ausländisch-stämmigen Bevölkerung, vorsichtig berechnet mit 30 % Alaktasie aufgrund überwiegender Herkunft aus südlichen Ländern. Insgesamt dürften also ca. 12-13 Millionen Alaktasier in Deutschland leben, davon ca. 1/4 ausländischer Herkunft.

1Chemisch: 4-(ß-D-Galaktosido)-D-Glukose Zurück

2Eine gute Zusammenstellung verschiedener Nahrungsmittelunverträglichkeiten und ihre Beziehung zueinander bieten M. Ledochowski, B. Widner, D.Fuchs. Universitätsklinik Innsbruck in: J. Ernährungsmed 3/2000 S. 10 ff;

zur Diagnostik bei Nahrungsmittelallergien: Dr. med. Martin Raithel, Prof. Dr. med. Eckhart Georg Hahn, Prof. Dr. med. Joachim Kalden, Universität Erlangen-Nürnberg in: Deutsches Ärzteblatt 2002; 99: A780-786;

ein Buch zu Nahrungsmittelallergien siehe H.-W. Tüttenberg, unter LiteraturZurück

3Peltonen u.a. in Nature Genetics 2002 Feb; 30(2), S. 233 ff Zurück

4Je nach Autor, wird auch anders unterschieden, die am häufigsten zu findende Einteilung der Ursachen für einen Laktasemangel wird hier vorgestellt. Zurück

5Nature Medicine, 1998, 4 (10), S. 1121-2 und S. 1131-5 Zurück

6Eine differenzierte Übersicht, aber nicht repräsentativ bieten Ibrahim Elmadfa/Claus Leitzmann, in: Ernährung des Menschen, Ulmer, 1990, S. 441 - 445; siehe auch Kasper, Ernährungsmedizin und Diätetik, S. 147 Zurück

7Die slawischen Sprachen hatten ursprünglich kein Wort für Milch. Moloko, mleko, mloko sind aus dem deutschen entlehnte Wörter, siehe auch Grimm´s Wörterbuch, dtv Band 12, Milch Zurück

8Die kenianischen Massai werden häufig als Laktasebildner angegeben, was zweifelhaft ist. Elmadfa/Leitzmann berichten zwar, dass die Hauptnahrung der Massai aus Kuhmilch und ergänzend aus Rinderblut bestehe, aaO. S. 13. Das aber ist eine Ausländern und Touristen liebevoll präsentierte Geschichte zur Imagesteigerung. Tatsächlich leben die Hirten-Nomaden des Massaivolkes als Halbnomaden, genau wie alle anderen auch und ernähren sich hauptsächlich von getauschtem Getreide und sonstigen pflanzlichen Nahrungsmitteln, die gesammelt werden und Fleisch. Lediglich die jungen 'Krieger' ernähren sich während einer kurzen Phase ihrer Initiation abseits der Stammesgemeinschaft unter anderem von Milch/Sauermilch. Die "Hauptnahrung" keines noch so abgelegenen Stammes besteht überwiegend aus Flüssigkeiten. Außerdem gehören die Massai zu der größeren Volksgruppe der Neloten, die Alaktasier sind. Im übrigen gibt es andere Autoren, die die Massai nicht als Milchtrinker, sondern als Sauermilchverzehrer kennengelernt haben, was bezüglich der Milchzuckerunverträglichkeit ein entscheidender Unterschied ist. Denn traditionell hergestellte Sauermilcherzeugnisse enthalten nur noch wenig Milchzucker oder gar keinen mehr. Zurück

Letzte Änderung am 04.12.2011

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